Winning Tides – Lendy Cowes Week 2018
Noch nie war es so knifflig einen Tagebucheintrag zu schreiben, wie heute über die Cowes Week 2018. Zu schwer ist es, all die Erinnerungen und Erlebnisse zu sammeln, einzuordnen und niederzuschreiben, Reizüberflutung könnte man es nennen.
Manoman, was war das für eine grandiose Segelwoche, mit all den Booten, die täglich den Solent überfluteten, den Segel Vibes die in Cowes an jeder Ecke mitschwangen (diese kleine Küstenstadt lebt förmlich fürs Segeln), und den unzählbar vielen netten Menschen, die wir kennenlernen durften.
Doch von Anfang an: Den ersten Tag unseres England-Aufenthaltes verbrachten wir damit, das Boot leer zu räumen, schließlich hatte unsere Lady mit Zwischenstopp in Den Haag eine lange Reise hinter sich. Mit 14 bärenstarken Mädels ist das aber in der Regel ein schnelles Unterfangen, sodass wir den Freitagnachmittag dafür nutzen konnten ein paar erste Trainingsschläge auf dem Solent zu segeln. Für fast jede von uns war das Revier völliges Neuland mit all seinen wilden Strömungen, ständigen Winddrehern und vielen versteckten Sandbänken, die vor allem bei Niedrigwasser nicht zu unterschätzen waren.
Der lang ersehnte erste offizielle Tag der Cowes Week begann schwachwindig. Pünktlich um 11:00 Uhr Ortszeit sollte gestartet werden, und zur Auswahl standen insgesamt 3 Startlinien, Bramble Line, Black Group Committee Vessel, sowie der Start in direkter Line vor dem Royal Yacht Squadron. Die Zuordnung der vielen unterschiedlichen Startgruppen routierte täglich, sodass an diesen Tag zunächst die erste Herausforderung war, die Startlinie irgendwo zwischen Southhampton und Cowes anzutreffen. An der Startlinie angekommen wartete direkt die nächste Herausforderung auf uns: auf dem Solent ist es Gang und Gebe, dass die zu segelnden Regattakurse erst wenige Minuten vor dem Start über Funk bekannt gegeben werden. Eine Up-&Down Wettfahrt wäre dabei viel zu simpel gehalten, vielmehr ging es in ständigem Zickzack über den Solent „around the cans“ (um feste Seezeichen). Während der Großteil der Crew wenige Minuten vor dem Start mit Einsegeln und Pingen beschäftigt war, zerbrachen sich unter Deck unsere Taktikerin und Navigatorin den Kopf, um schnellstmöglich die durchgegebenen Kurse auszuwerten. Wenn auch diese Form der kurzfristigen Kursfestlegung völlig neu für uns war, hatten wir jede Menge Spaß an der Herausforderung die Navigations- und Taktikpläne im Schnelldurchlauf festzulegen und ständig anzupassen. Bereits an Land hatten uns einige Locals den sich ständig wiederholenden Tipp gegeben, „it’s all about tides“. Eine Erfahrung die wir schmerzlich lernen mussten. Während die im Solent beheimateten Schiffe gewieft die Strömungskanten nutzen, wählten wir das eine oder andere Mal die falsche Seite. Je größer die Abstände zwischen den Schiffen wurden, desto präsenter wurde uns der Tipp, obviously it’s all about tides. Am Ende des Tages beendeten wir das Rennen mit einem zufriedenstellenden 6. Platz, um einige Erfahrungen reicher.
Am Sonntagmorgen zeigte sich nach einer kurzen Startverschiebung an Land das gleiche Bild wie am Vortag: alles, was einen fahrbaren Untersatz hatte fuhr bei schönstem Sommerwetter raus auf den Solent. Wieder war die Herausforderung, die Startlinie zwischen all den Seglern, Motorbooten, Pressebooten, Fähren und noch mehr Fähren, sowie Containerschiffen zu finden. Unsere Erkenntnisse vom Vortag konnten wir bei taktischen Entscheidungen anwenden und arbeiteten uns somit nach einem knapp 15sm langen Flautenrennen auf den 5. Platz vor. Auch an diesem Tag raubten uns der Strom und die Winddreher aus allen Richtungen jede Menge Nerven, was man uns am Abend aber ein Glück nicht mehr ansehen konnte. Schließlich stand am Sonntagabend unsere erste offizielle Einladung im Royal Ocean Racing Club (RORC) an, für die wir uns ordentlich in Schale schmeißen konnten. Schon an diesem Abend waren wir völlig überwältigt von der vielen Resonanz und dem hohen Interesse, welche unserem Tutima Projekt entgegen gebracht wurde. Offensichtlich haben wir nicht nur mit unserer großen grauen Rennyacht samt Tutima Logo für Aufsehen gesorgt, scheinbar ziehen unsere pinken Crewklamotten auf dem Wasser wohl doch jede Menge neugierige Blicke auf sich. Ob jung oder alt, Segler oder Nichtsegler, von allen Seiten wurden wir angesprochen und in England willkommen geheißen.
Der Montag der Cowes Week schließlich hielt für uns eine ganz besondere Form des Startens parat, welche wir so schnell nicht vergessen werden. Die Startlinie für unsere Gruppe lag an diesem sonnigen Tag unter Land in direkter Verlängerung zum Royal Yacht Squadron (RYS) – klingt royal, war auch so! Der Startschuss wurde durch eine Kanone abgefeuert und bedeutet den Beginn eines Wenderennens, wie wir es noch nicht erlebt haben. Dazu muss man erneut sagen, dass der Strom auf dem Solent eine erhebliche Rolle bei der Wahl der Taktik spielt. Je stärker der Strom von vorne kommt, desto dichter sollte man unter Land fahren, wo das Wasser flacher und der Strom entsprechend geringer ist.
So spielte sich die Startkreuz unserer Gruppe ORC 1 mit 9 anderen Yachten auf einer Breite von knapp 200 Metern ab. Auf dieser Breite wurde nicht nur im Minutentakt dicht an dicht gewendet, gleichzeitig lagen noch diverse Zuschauerboote an Mooringtonnen in genau ebenjener Startkreuz, die den Adrenalinpegel zusätzlich in die Höhe trieben. So arbeiteten wir uns auf einer guten Position Wende für Wende gemeinsam mit der Konkurrenz an der 3 Meter Tiefenlinie entlang gen erste Luvtonne, die mitten im Solent im starken Gegenstrom lag. Der letzte Schlag unter Land wurde mit einer reibungslosen Wende eingeleitet, die uns plötzlich leider zum Stehen brachte. Recht schnell war die Diagnose Grundberührung gestellt, da das Boot hoch und trocken auf einer Sandbank stand. Nicht nur für den Kiel höchst ärgerlich, sondern auch für den Ausgang dieses spannenden Rennens. Das war für uns ab genau diesem Zeitpunkt nämlich vorbei, da es uns einige Anstrengungen kostete das Boot im Gegenstrom von der Sandbank wieder herunterzubekommen. Aber wir sind ja bekanntlich erfinderisch und haben ausgetestet, wie viele von uns Mädels auf so einem nach Luv stehenden Großbaum Platz haben. Am Ende mussten wir das Rennen offiziell abbrechen, konnten aber mit einem unbeschadeten Boot wieder in den Hafen fahren, was letztendlich ja die Hauptsache ist. Im Hafen stellten wir fest, dass wir bei weitem nicht die einzigen Betroffenen waren, denn der Taucher hatte allein an diesem Tag noch weitere 18 Einsätze aufgrund von Grundberührungen.
Wie sagt man so schön, „Aufstehen, Krone richten, weitermachen“ – unser Motto für den sogenannten Lendys Ladies Day, welcher für den Dienstag geplant war. An diesem Tag wurden alle teilnehmenden Damen dazu aufgerufen, an Land und auf dem Wasser blau/weiße Streifen zu tragen. Das haben wir uns selbstverständlich nicht entgehen lassen, und sogar das Streifenkleid wurde rausgeholt für die anstehende Wettfahrt. Leider hat es jedoch kurz nach dem Startschuss angefangen in Strömen zu regnen. Das praktische an so einer Ölhose ist jedoch, dass man sie in jeder Lebensform über alle möglichen Untersätze tragen kann. Über dem Kleid folglich auch, tested and approved.
Die darauffolgenden Tage brachten einen ordentlichen Wetterumschwung mit sich, der für mehr Wind und weniger Sonne sorgte. Gerade auf den spitzen 90-120° Kursen machten diese neuen Bedingungen die Segelwahl zum großen Ausprobiertest, der aber meistens aufging. Auch hier können wir wieder nur betonen, dass die anspruchsvollen Kurs-, Wetter- und Segelbedingungen uns unfassbar viel Spaß bereitet, und einiges an Routine im weiteren Bootshandling gebracht haben.
Der Freitag schließlich sollte in vielerlei Hinsicht das Finale der Cowes Week darstellen. Schon am Vorabend prophezeite der Wetterbericht Windböen bis über 30 Knoten in Spitze. Die Windstärke ist das eine, viel entscheidender ist die Höhe der Wellen die gar nicht so niedrig werden sollten bei Wind gegen Strom.
Bei Wind um die 25 Knoten wurde schließlich gestartet, und wir haben zur Feier des Tages unsere weiß strahlende Starkwindgenua 4 herausgeholt, die nichts so leicht schocken kann. Mühsam kämpften wir uns Wendeschlag für Wendeschlag die knapp 5sm lange Startkreuz gen Westen entlang. Die Tonne war schon in Sichtweite, als plötzlich eine mit Platzregen gefüllte Windwand auf uns zurollte. Die Windanzeige sprang hoch auf weit über 30 Knoten, und wir entschieden uns vorerst dagegen den Spinnacker an der Tonne hochzuziehen, und leiteten stattdessen mit einer Q-Wende den Kurswechsel ein. Eine gute Entscheidung wie sich zeigte, die Swan vor uns lag nach einer Patenthalse unter Spinnacker mehrere Minuten flach auf dem Wasser. Ähnlich wie andere Boote um uns herum, die das große bunte Vorsegel bereits gezogen haben und versuchten, es irgendwie wieder einzupacken.
Die Sichtweite verringerte sich auf wenige Meter unter den konstant anhaltenden Sturmböen um die 30-40 Knoten. Das Thema Spinnacker hatte sich vorerst für uns erledigt, und wir rutschten nur unter vollen Großsegel und kleiner Genua 4 die Wellen runter. Auf der einen Seite bringt dieser Adrenalinschub ohne Frage jede Menge Spaß, auf der anderen Seite muss man sich in solchen Momenten doch immer in Erinnerung rufen, wie gefährlich Wassersport sein kann. Als sich unsere Steuerfrau Kirsche bei einer anhaltenden 48 Knoten Böe nur noch mit Mühe am Steuerrad festhalten konnte, und auch der Rest der Crew in jeder Welle auf der Kante hin- und herflog, entschieden wir uns dafür das Rennen an dieser Stelle abzubrechen. Unsere Yacht stampfte zwar treu und unermüdlich in jede Welle rein, dennoch wollten wir weder Material, noch unser Crewwohl in irgendeiner Weise aufs Spiel setzen. Jedoch dauerte es einige Zeit, bis wir in der Lage waren abzudrehen, da der Wind unermüdlich in die Segel presste. Kurze Zeit später wurden alle Rennen für den Tag abgesagt, was uns in unserer Entscheidung bestätigte. Zurück im Hafen erfuhren wir jedoch die traurige Nachricht, dass an diesem Tag ein Segler auf dem Wasser ums Leben gekommen ist, nachdem dieser sich in der Großschot verfangen hat und über Bord gegangen ist. Der Schock saß tief, und es führte uns wieder vor Augen wie schnell es jeden treffen kann, und wie wichtig Seemannschaft in solchen Ausnahmesituationen ist.
Trotz diesem schrecklichen und traurigen Ende können wir auf eine unvergessliche Cowes Week zurück blicken. Wir sind völlig überwältigt von der Gastfreundschaft und Aufgeschlossenheit der Engländer. Nicht nur auf dem Wasser, auch an Land haben wir eine unbeschreiblich tolle Segelgemeinschaft kennenlernen dürfen, in welche wir innerhalb von kürzester Zeit voll aufgenommen worden sind. Die Veranstalter haben keine Mühen gespart, uns eine unvergessliche Woche zu ermöglichen.
Von daher möchten wir uns zunächst natürlich von ganzem Herzen bei unserem Sponsor Tutima bedanken, der uns eine sagenhafte Saison 2018 ermöglicht hat. Auch die Regattasponsoren und –organisatoren haben uns bei jeder Gelegenheit zum Staunen gebracht, ob mit Abendveranstaltungen, Live Acts, Feuerwerk oder einer spektakulären Flugshow der Royal Air Force. Und zu guter Letzt wollen wir unserem Vermieter David danken. Wir sind uns nicht ganz sicher, wer wen mehr ins Herz geschlossen hat, definitiv hat David alles dafür getan, damit wir in Cowes eine gute Zeit hatten!
Cowes wir kommen wieder, das war erst das Einsegeln!
Stay tuned, eure Tutima Mädels